Page 12 - Lütjenburg und die Region erLeben Ausgabe Winter 2019
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Weißt du noch?
KINDHEITSERINNERUNGEN AN WEIHNACHTEN AUF DEM LANDE
© Petra Gramkow, gewidmet meiner lieben Schwester Angela
nerung sind mir auch unsere Puppen mit blonden Zöpfen, rosa
Kleidern und weißen Schühchen geblieben, die konnten sogar
stehen und „Mama“ sagen, wenn man sie umdrehte. Später gab
es unsere heiß geliebten Barbiepuppen und Anfang der 70er ei-
nen Plattenspieler mit Weihnachtsmusik, in den folgenden Jah-
ren Schallplatten von den Les Humphry Singers, Tony Marschall,
T-Rex (meine Schwester schwärmte für ihn) und Alice Cooper
(mein Favorit), dann für jeden einen schicken roten Knaut-
schlackmantel… Ganz besonders erwachsen kam ich mir vor, als
sich eines Tages die übliche Tafel „Sarotti Schokolade mit dem
Mohren“ in „Edle Tropfen in Nuss“ verwandelte.
Eigentlich waren es aber nicht die Geschenke, sondern es war al-
lein schon die wochenlange Vorfreude auf Weihnachten und die
allgemeine Stimmung, die ich so liebte. Es kam mir vor, als seien
die Leute in unserem Dorf irgendwie milder gestimmt als sonst.
Die meisten von ihnen waren geprägt von der harten Land- und
Forstarbeit auf den Gütern. Auch zuhause kannten sie keine
Ruhe, denn sie hielten selbst ihre Katen in Ordnung, beackerten
das ganze Jahr hindurch eigene Gärten, weckten ein, machten
Saft, hielten etwas Vieh zum Schlachten, froren Fleisch ein und
machten Wurst, um über die Runden zu kommen. Am Haus wur-
den ´Erd-Mieten´ angelegt, in denen sich eingelagerte Wurzeln,
Rüben und Sellerieknollen bis ins Frühjahr hinein einigermaßen
frisch hielten. Auch kellerte man Kartoffeln als Vorrat ein. Holz-
machen in den Wäldern gehörte auch dazu, wenn man in der
kalten Jahreszeit nicht frieren wollte. Noch viele Arbeiten mehr
standen auf dem alltäglichen Stundenplan, von denen ich als
Kind nicht viel Ahnung hatte, doch jetzt, als Erwachsene, kann
ich all die Mühen nachvollziehen, die vor vielen Jahrzehnten auf
dem Lande noch ganz selbstverständlich waren. Sie machten die
Menschen hart. Auch der 1. und 2. Weltkrieg, welche noch nicht
allzu lang vorbei waren, hatte bei ihnen Spuren hinterlassen...
Doch die Adventszeit mit dem nahenden Christfest ließ viele von
ihnen enger zusammenrücken und ihre müden Augen glänzen.
„Wann kommt endlich der Weihnachtsmann?“ – Mutter klingel-
ten schon die Ohren, denn meine Schwester und ich konnten es Meistens lag draußen eine dichte Schneedecke, die vor Kälte un-
kaum mehr erwarten, bis endlich ´Heilig Abend´ war. Dieser Tag ter den Schuhsohlen knackte. Wir schnallten unsere Gleitschu-
war immer etwas ganz Besonderes für uns Kinder der 1960er he unter die Stiefel und schon ging es flott die vereiste Straße
Jahre. Ich kann gar nicht erklären, warum wir uns immer wie entlang. Schlittschuhe hatten wir nicht, doch es war trotzdem
kleine Schneekönige auf den 24. Dezember freuten, denn große ein riesen Spaß, auf unserem Teich oder dem Eis der herbstlich
Geschenke waren nicht zu erwarten, sehr begütert waren un- überschwemmten Wiesen herum zu schlittern. Durch das mit
sere Eltern nicht. Obwohl wir nur wenig Spielzeug hatten, stell- Eiszapfen bekränzte Fenster beobachtete der große Schnee-
ten wir keine Ansprüche und waren glücklich über das, was uns mann mit den Eierkohlen-Augen unsere liebe Mutter, die mit
auf den Gabentisch gelegt wurde: Von Mutter selbstgestrickte Tannenzweigen die Räume dekorierte. Drinnen duftete es wun-
Mützen, Schals und Handschuhe, Malstifte, für jeden eine Bade- derbar nach selbstgebackenen Heidesandplätzchen und den
Puppe, ein „Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel“, ein Märchenbuch... Spritzkeksen mit Zartbitterschokolade. Sie wanderten allesamt
Besonders erinnere ich mich an einen Kinder-Kaufmannsladen, in eine große mit einem roten Bezug umgebene Blechdose, um
den meine Schwester und ich uns teilten. Der war gespickt mit erst wieder zum Advent hervorgeholt zu werden. Ich kann mich
Schublädchen und streichholzgroßen Päckchen auf denen zum an den herrlichen Geschmack des Teiges erinnern, dessen Reste
Beispiel ´Persil´, ´Seife´ und ´Reis´ stand. Einige waren gefüllt meine Schwester und ich mit dem Finger aus der Schüssel neh-
mit weißen, süßlich schmeckenden Körnchen. Ich habe bis heute men durfte, bis kein Klecks mehr davon übrig war. Meine Mutter
nicht herausbekommen, was das eigentlich war. Auch Obst und ließ absichtlich immer etwas von dem Teig in der Rührschüssel
Gemüse aus Marzipan gehörten zur Auslage. An der Seite hingen für uns zurück.
spitz zulaufende Papiertüten, auf dem Verkaufstresen klingelte Wenn es draußen dunkel wurde, die Baumwipfen der nahen
eine kleine rote Kasse und eine Uhr sagte uns, wenn es Zeit war, Wälder brausten und der heulende Wind Schneewehen an den
die Rollen zwischen Verkäuferin und Käufer zu tauschen. In Erin- Hausecken auftürmte, entzündete Mutter die Kerzen des Ad-
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