Page 4 - Lütjenburg und die Region erLeben Ausgabe Sommer 2020
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Und ewig läuten die Hochzeitsglocken
Der „Grundlose See“ in den Strezer Bergen -
Ein dunkles geheimnisvolles Auge
Mitte des 17. Jahrhunderts, stand an der Ostseite des Sees eine knechten von dem Alten abzulassen und sich heraus zu begeben.
Wassermühle, welche von den Bewohnern der umliegenden Dör- Befreit atmete die Familie des Müllers auf, als die rohen Gesellen
fer fleißig besucht wurde. Der Müller war ein einfacher, schlichter das Haus verlassen hatten. „Oh, wie danken wir Euch“, sprach das
Mann und fühlte sich in seinem idyllischen Heim so wohl, das er Mädchen zu dem jungen Korporal, „daß ihr uns vor großem Un-
mit keinem Fürsten der Welt tauschen mochte. glück bewahrt habt“. „Darf ich Euch einladen, an unserem Tische
Sein größter Reichtum und Stolz aber war sein einziges Töchter- mit zu essen“, fragte der Müller. Der Korporal nahm das Anerbie-
lein Anna, eine schlanke schmucke Jungfrau. Lust und Lebensfreu- ten dankbar an. Beim Essen erzählte er seine Lebensgeschichte,
de strahlten aus ihrem rotwangigen, zarten Gesichtchen und für daß er als Sohn eines polnischen Grafen seine Eltern verlassen
jeden hatte sie immer einen freundlichen Gruß und ein fröhliches habe, um in den Reihen des kaiserlichen Heeres sein Glück zu fin-
Wort auf den Lippen. Wie ein gutes Wort immer einen guten Ort den und ihn nun das Schicksal hierher verschlagen habe. „Ich habe
findet, so wußte sie auch stets die Herzen aller für sich einzuneh- manches Abenteuer erlebt, manchen harten Kampf ausgefochten,
men. Darum fehlte es ihr auch nicht an Bewerbern, welche um aber das Glück, welches ich suchte, habe ich nicht gefunden. Das
ihre Hand anhielten. Sie aber dachte nicht daran, das Haus ihrer Leben und Treiben im Heere und die Rohheiten der Krieger widern
Eltern zu verlassen, um einem Anderen zu folgen. Ihr waren die mich an. Ihr werdet vor derartigen Besuchen wie heute, für die
mit Busch bewachsenen Hügel am See und der rauschende Wald Folge nicht sicher sein. Um Euch aber zu schützen, werde ich zwei
ans Herz gewachsen und sich von ihnen zu trennen, fiel ihr schwer. meiner Leute bei Euch einquartieren. Die sollen Euch bewachten
Auf einem weit in den See hinaus hängenden, niedrigen Buchenast und beschützen. Ich komme bald wieder und nun lebt wohl bis
saß sie oft stundenlang im Genusse der schönen Natur versunken. morgen.
Hier war ihr Lieblingsaufenthalt. Bald hörte die Müllersfamilie am Getrappel der Rosse, daß sich der
Während nun hier ein heiliger Friede wohnte, wütete im deutschen Trupp entfernt hatte, nur zwei hielten noch draußen Wache vor
Reiche der 30jährige Krieg. Aber auch dieser Ort sollte nicht von dem Hause des Müllers. Anderen Tages erschien der Korporal wie-
ihm verschont bleiben. 4000 Mann des kaiserlichen Heeres waren der und es entwickelte sich zwischen ihm und der Müllersfamilie
in Holstein eingebrochen und schlugen bei der Stadt Lütjenburg ein freundschaftliches Verhältnis. Besonders war er dem jungen
ihr Lager auf. Schlimme Zeiten brachen über die Bewohner dieser Mädchen gut gesonnen und ihretwegen kam er täglich nach der
Gegend herein, denn Plünderung, Raub, Mord und Brandstiftung Waldmühle, wo er die langen Winterabende gern im Kreise der
waren die steten Begleiter dieser Horden. Auch die einsame Mühle Freunde verbrachte.
im Walde wurde von ihnen aufgesucht. Als der Frühling ins Land zog, die Bäume und Sträucher des Wal-
Es war eines Mittags, als sich die Familie beim Essen befand, da des sich mit dem ersten saftigen Grün schmückten und die Wie-
erschien ein Trupp Reiter, welcher vom Müller nicht nur die He- sen sich mit bunten Blumen bekränzten, da litt es auch den Men-
rausgabe von Korn und Mehl, sondern auch sämtliche Wertge- schen nicht mehr in ihren engen winterlichen Hütten. Auch die
genstände verlangten. „Tust Du nicht willig“, schrien einige ihm zu, Müllerstochter war hinausgegangen zu ihrer geliebten Buche, um
„so setzen wir Dir den roten Hahn aufs Dach“. Andere packten ihn im hellen Sonnenschein die Luft des Frühlings zu genießen. Da er-
am Halse und würgten ihn. Als das die Tochter sah, warf sie sich schien unser Korporal und setzte sich neben sie auf den Ast der
verzweifelt zwischen die Krieger und ihren Vater. „Habt Erbarmen Buche. Lange schwiegen sie beide und blickten auf das Wasser hi-
mit uns“, rief sie, „wir geben Euch gerne was ihr an Lebensmittel nab, welches langsam zu ihren Füßen dahin floß. Endlich sprach
begehrt, so gut wir können, aber schont unser Haus, schont das er, ihre Hand ergreifend: „Ich habe das Kriegsleben satt, würdest
Leben meines Vaters!“ Erst waren die rohen Gesellen über den Du mich nach meiner Heimat begleiten und meine Frau werden?“
Auftritt des jungen Mädchens etwas verdutzt, aber bald gewan- Sie willigte ein und man verständigte die Eltern davon. Es wurde
nen die Rohheit und der Übermut wieder die Oberhand über sie. beschlossen, daß die Hochzeit am 1. Pfingsttage gefeiert werden
Hohnlachend stießen sie das Mädchen zurück und warfen sie zur sollte.
Haustür hinaus, so daß sie hinfiel. „Kümmert Euch nur um Eure Die Kunde von der Verlobung des Grafen und der Müllerstochter
Suppe, Jungfrau und steckt Eure Nase nicht zwischen Kriegsleu- war bald bei seinen Kameraden bekannt geworden. Einige be-
te“, riefen sie und drangen von neuem auf den Müller ein. glückwünschten ihn von Herzen. Bei anderen waren aber der Neid
Da trat ein junger Korporal ins Haus. Er hatte gesehen, wie das und die Abgunst. Ihr Sinnen und Denken richtete sich darauf, ihm
arme Kind hingefallen war. Sie aufhebend gebot er den Kriegs- einen Streich zu spielen und seine Vermählung zu hintertreiben.
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