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LÜTJENBURG
Präsentiert von: historisch
Stadt Lütjenburg · Arbeitskreis Stadtarchiv
Die Geschichte des „Genueser Schiffes” in Hohwacht
Der Bau des Hotels „Genueser Schiff” im Jahre 1950
Der Hohwachter Architekt Karl Schöning entwarf und bau- nannt. Das Gedicht war auch das Lebensbekenntnis der
te unter Verwendung von Fertigteilen der Firma Delfs das Gründerin:
kleine weiße Hotel mit Reetdach in nur neun Wochen. So „Dorthin – will ich, und ich traue
konnte am 8. Juli 1950 die erste Sommersaison eröffnet
werden. Das neue Haus konnte in vielem die anspruchslose Mir fortan und meinem Griff
Nachkriegszeit nicht verleugnen. „Wir haben nur eine Bade- Offen liegt das Meer, in`s Blaue
wanne im Haus, aber die große Badewanne liegt ja vor der Treibt mein Genueser Schiff“.
Tür“. Das wurde damals so hingenommen. Schon bald stand dieses Hotel mit wenigen anderen in Rei-
Anfangs waren die Zimmer eigentlich mehr Kajüten, und die sebüchern wie „Bei einem Wirte wundermild“ oder in „Rast
Wände waren recht dünn. Doch durch die solitäre Lage in auf Reisen“ als etwas Besonderes. Man warb nicht nur mit
dem freien Strandwallgelände besaß das kleine neue Hotel der angenehmen Atmosphäre, sondern auch mit der sehr
ein ganz besonderes Alleinstellungsmerkmal. persönlichen Betreuung. Der Ruf ging von Mund zu Mund,
Für die Inneneinrichtung wurden kleinere Möbel aus dem Künstler und Politiker kehrten ein.
großen väterlichen Waterneverstorfer Herrenhaus verwen- Mit dem Wohlstand der Zeit stiegen auch die Ansprüche der
det. Sie waren nicht modern, sondern „aus der Zeit gefal- Gäste. Die Zimmer waren nun zu klein, Badezimmer fehlten.
len“. Aber gerade die Gäste, welche die junge Gräfin Gabrie- Um wirtschaftlich zu bleiben, mußte die Bettenzahl erhöht
le von Waldersee mit ihrem Hotel ansprechen wollte, hatten werden.
den Sinn dafür und genossen das Ambiente.
Nach dem Gedicht von Friedrich Nitzsche „Nach neuen Gräfin Waldersee wählte wegen der Handschrift denselben
Meeren“ wurde das Hotel von ihr „Genueser Schiff“ be- Architekten; es blieb jedoch bei einem reinen Sommerhotel,
das im Jahre 1960 auf das Dreifache vergrößert wurde. Das
war das, was die Landschaft noch gut vertragen konnte; im
größer gewordenen Windschatten konnten Sträucher und
Bäume Fuß fassen.
Doch erneut wandelten sich nach zehn Jahren die Wünsche
und Bedürfnisse der Menschen. Hatte die Generation der
Kriegszeiten zunächst noch reichliches und oft schweres
Essen gewollt, so war jetzt höchstens noch Halbpension ge-
fragt. Und es gab in Zeiten der Vollbeschäftigung Schwie-
rigkeiten, Saisonköche zu finden. Lange hatte die Gründerin
mit fünf bis sechs charmanten Haustöchtern, z. T. aus der
eigenen Verwandtschaft, als Praktikantinnen den Betrieb
bewältigt. Doch diese Anfangszeit war jetzt vorbei.
Dr. Sigurd Zillmann
Das Café „Leichte Brise“ war der Vorläufer des „Genueser Schiffes“.
auf den Fundamenten der Flakstellung (Datierung: 1948).
18 Binnenland & Waterkant