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Anno dazumal
Das Stadtcafé in der Niederstraße 14
© Stadt Lütjenburg / Arbeitskreis Stadtarchiv. Kopieren/Teilen nicht gestattet.
Die Fotos zeigen sich beim Anklicken vergrößert.
(Ersterscheinung hein´s magazin April 2012)
Dort, wo früher einmal das „Nedderdoor“ am Ende der Niederstraße gestanden haben soll, war in der Zeit von etwa 1900 bis 1950 das „Stadt-Cafe“, ein beliebter Treffpunkt in Lütjenburg. Hier konnte man Kaffee trinken, Torte essen, klöhnen, tanzen und auch übernachten.
Bis 1914 hieß das Kaffeehaus „Cafe Hanssen, Hof-Conditorei und Bäckerei“. Wie kam es zu diesem vornehmen Titel?
Lütjenburg besaß bis zum Ende des I. Weltkrieges zwar keinen Fürstenhof, aber trotzdem eine stattliche Anzahl an „Hoflieferanten“. Das verdankte die Stadt den Landgrafen von Hessen-Kassel und deren nahe gelegener Sommerresidenz Schloß Panker. Die fürstliche Familie empfing in den Sommermonaten und zur Jagdzeit Besuch aus allen Teilen Europas, was einer Reihe von Lütjenburger Geschäftsleuten und Handwerkern einen guten Verdienst brachte. Zu denen, die offiziell zu „Hoflieferanten“ ernannt worden sind und ein entsprechendes Dokument vom Landgrafen erhalten hatten, gehörte auch Carl-Friedrich (Fritz) Hanssen. Auch er ließ sich ein fürstliches Wappenschild anfertigen, das über der Eingangstüre und zwar direkt über dem Schriftzug „Hof-Conditorei“ angebracht war. Das sog. „Patent“ war damals eine hohe Auszeichnung und galt natürlich als besonders werbewirksam.
Auf einem gut erhaltenen Foto steht der Conditormeister Hanssen in traditioneller Bäckerkleidung in der Eingangstüre –neben sich ein Werbeschild der Schokoladenfirma „Stollwerk“. Auf einer Bank vor der Conditorei sitzen einige Damen und Herren in sommerlicher Sonntagskleidung. Ein anderes Foto gibt einen Einblick vom Innern des Cafes –man sieht eine Vitrine mit kunstvollen Torten und eine Theke mit edlen Spirituosen. Wann das einstöckige –ursprünglich mit Krüppelwalmdach errichtete– Haus Niederstraße Nr. 14 großzügig umgebaut wurde, ist bisher nicht überliefert. Offenbar waren die Einnahmen durch die Belieferung der umliegenden adligen Gutsherrschaften jedoch so gut, dass Conditormeister C.F. Hanssen das bestehende Backsteingebäude aufstocken konnte. Das Haus erhielt eine prachtvolle Fassade mit hohem Giebel und seitlich aufgestellten Prunkschalen. An der Hauswand wurde zusätzlich mit der Aufschrift geworben: „Privat‑Pension“ und „Logis für Fremde“.
Nach dem I. Weltkrieg übernahm Carl Hanssen den Betrieb von seinem Vater. Einige Jahre war er erster Vorsitzender des „Wirtevereins“ Lütjenburg oder wie der Verein damals im Protokollbuch des Jahres 1928 offiziell hieß: „Deutscher Gastwirte Verband e.V., Ortsgruppe Lütjenburg und Umgebung“. In den oberen Räumen im 1.Stock war das „Stadt‑Cafe“ mit Diele eingerichtet. Zur Straße hin konnte man auf einen breiten Balkon hinaustreten. Auf der Diele stand ein elektrisches Klavier, nach dem damals viel getanzt wurde. Die Schlachter der Ostholsteinischen Wurstfabrik von Hermann Tiedje von gegenüber sollen immer gern gesehene Gäste gewesen sein. Überhaupt feierte man gern und oft. So gab es damals –im Gegensatz zu heute– sechs große Säle; davon fassten die drei größten jeweils 300 bis 400 Personen: „Stadt Hamburg“ (Niederstraße), „Stadt Kiel“ (Markt) und „Kaisersaal“ (Oberstraße). Weitere Säle, in denen etwa 60-100 Gäste Platz hatten, gab es in den Gaststätten „Kossautal“, „Landhaus“ und „Zur Linde“.
Verantwortlich für den Inhalt:
Arbeitskreis Stadtarchiv Lütjenburg Wer weitere Hinweise geben oder Fotobelege beisteuern kann, melde sich bitte im Stadtarchiv (Dr. Sigurd Zillmann, Tel. 04381/7319)